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Studie „Häufigkeit von häuslicher und sexualisierter Gewalt gegen Jungen und Männer – Erfahrungen von Männern in Kindheit, Jugend und jungem Erwachsenenalter aus Leipzig“
Zu Gewalt gegen Männer im häuslichen Bereich liegen aktuell keine repräsentativen Daten für Deutschland vor. Dafür gibt es verschiedene Gründe, vor allem gilt männliche Gewaltbetroffenheit als schambehaftet und war lange kein öffentliches Thema. Im gesellschaftlichen Bewusstsein sind Opfererfahrungen mit weiblichem und die Täterschaft mit männlichem Geschlecht assoziiert. Tatsächlich ermitteln zahlreiche (inter-)nationale Studien eine höhere Betroffenheit weiblicher Personen von häuslicher und sexualisierter Gewalt und die überwiegende Mehrheit der Täter sind Männer.
Trotz geringerer Häufigkeit kommt die Anerkennung der Betroffenheit von Männern und deren Folgen mit zunehmender Forschung sowie zahlreichen Berichten aus der psychosozialen Beratung und Versorgungspraxis stärker in den Blick.
Häusliche und sexualisierte Gewalt
Häusliche Gewalt umfasst vielfältige Erscheinungsformen, insbesondere physische, psychische, sexualisierte und soziale Gewalt zwischen erwachsenen Personen und gegenüber Minderjährigen, die eine familiäre oder partnerschaftliche Beziehung zu einander haben.
Der Begriff sexualisierte Gewalt meint körperliche oder psychische Grenzüberschreitungen, die die Intimsphäre eines Menschen verletzen. Fast immer handelt es sich dabei um die Ausnutzung eines Machtgefälles aufgrund von Geschlecht, Alter, körperlicher Überlegenheit, Herkunft oder sozialem Status. Unterschieden wird zwischen sexuellen Belästigungen, sexueller Nötigung, Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch sowie der Androhung von sexualisierter Gewalt.
Inzwischen belegt die Forschung (zumeist mit weiblichen Betroffenen), dass häusliche und sexualisierte Gewalt mit stark erhöhten Raten für verschiedene psychische Belastungen sowie körperliche Beschwerden einhergeht.
Aktueller Forschungsstand: häusliche und sexualisierte Gewalt gegen Männer
Unter männlichen Personen haben Minderjährige sowie Männer im jungen Erwachsenenalter (18-30 Jahren) ein erhöhtes Risiko von häuslicher und/oder sexualisierter betroffen zu werden. Bekannte Risikofaktoren für Gewaltwiderfahrnisse sind Homosexualität, Abweichung von cis-Identität, ein Fluchthintergrund, Inhaftierung, ein Militär-Kontext, Obdachlosigkeit, psychische Belastungen sowie körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen.
In Deutschland wurden erste Daten in einer von BMFSFJ beauftragten Pilotstudie „Gewalt gegen Männer“ 2004 erhoben. Demnach berichten 18,8% der befragten Männer von belästigenden Handlungen ohne Körperkontakt, 8% von sexualisierter Gewalt mit Körperkontakt während ihrer Kindheit und Jugend. Von sexualisierter Gewalt in ganzer Bandbreite während des Erwachsenenalters berichten 3,8% der Befragten. Zudem erfuhr rund ein Viertel körperliche, rund ein Drittel psychische Gewalt in ihren Partnerschaften. Befragt wurden 190 zufällig ausgewählte Männer und die Autor:innen interpretieren die Befunde als Tendenzen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auch Männer häusliche und sexualisierte Gewalt in nicht zu vernachlässigen Ausmaß erfahren. Die bisherigen Studien lassen allerdings keine repräsentative Verallgemeinerung auf die Gesamtbevölkerung zu. Zudem fehlt die Erfassung und Beschreibung von psychosozialen Folgen sowie der Versorgungsbedarfe männlicher Betroffener.
Projektbeschreibung
Durchgeführt wird eine für die Stadt Leipzig repräsentative Befragung von Männern im Alter von 18 bis 30 Jahren zu ihrer Betroffenheit von häuslicher und sexualisierter Gewalt in Kindheit, Jugend und jungem Erwachsenenalter, den psychosozialen Folgen sowie Versorgungsbedarfen. Die Befragung wird als Online-Erhebung konzipiert, zu der ca. 10.000 in Leipzig gemeldete Männer postalisch eingeladen werden.
Ziele der Studie:
- Erfassung von Häufigkeit und Ausmaß der Erfahrungen von häuslicher und sexualisierter Gewalt gegen Jungen und Männer für die Stadt Leipzig
- Auf einer Abschlusstagung für Fachkräfte sowie in einer kostenfreien Broschüre werden die zentralen Ergebnisse öffentlich gemacht. Ziele sind:
- Die Aufklärung der allgemeinen Öffentlichkeit über das Phänomen sexualisierte Gewalt und häusliche Gewalt gegen Jungen und Männer
- Stärkere Vernetzung der bestehenden Strukturen und Initiativen der Stadt Leipzig zur besseren psychosozialen und medizinischen Versorgung von Betroffenen
- Vermittlung von bestehenden psychosozialen und medizinischen Versorgungsangeboten in der Stadt Leipzig an Betroffene und deren Umfelder
Die Studie wird durchgeführt als Kooperation von elure – Arbeitskreis Gewalt gegen Jungen und Männer und der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig