Grünauer gesteht vielfachen sexuellen Missbrauch: „Er hat nie Nein gesagt“

Vorwurf der Staatsanwaltschaft: In Wohnung des Angeklagten lag Preisliste für diverse Praktiken aus.

von Frank Döring

Ein Arbeitsloser aus Grünau hat über Monate hinweg in seiner Plattenbauwohnung minderjährige Jungen sexuell missbraucht. Zum Prozessauftakt am Landgericht legte der 45 Jahre alte Mann gestern eher ungerührt ein Geständnis ab. „Ich bin schuldig im Sinne der Anklage“, sagte er, „es tut mir leid.“ Die Staatsanwaltschaft wirft Jörg K. insgesamt 27 sexuelle Übergriffe im Zeitraum zwischen November 2011 und Januar 2013 auf die damals 12- bis 13-jährigen Jungen vor. Schockierendes Detail: Auf dem Wohnzimmertisch des Angeklagten soll eine handgeschriebene Preisliste ausgelegen haben – mit einem Belohnungssystem, aufgeschlüsselt nach diversen Praktiken. Allein mit dem 13-jährigen Kevin (*) sei es teilweise „zweimal wöchentlich zu sexuellen Handlungen entsprechend dieser Preisliste“ gekommen, so Staatsanwältin Jana Kalex. Mit ihm habe es angefangen, räumte Jörg K. vor Gericht ein. Kevin sei der Sohn einer früheren Freundin. Freitags nach der Schule sei der Junge häufig zu ihm gekommen und über das Wochenende geblieben. „Er war wie ein Sohn für mich“, so Jörg K. „Er wollte bei mir sein, hat nie Nein gesagt.“ Mit dem Sex, das sei „ganz einfach so gekommen“. Laut Staatsanwaltschaft soll sich der Grünauer auch an mindestens zwei weiteren Jungen vergangen haben, ihnen dabei erhebliche Schmerzen zugefügt haben. Auch diese Anklagepunkte räumte Jörg K. ein. Allerdings bestritt er die Existenz einer Preisliste, wie das von den mutmaßlichen Opfern übereinstimmend ausgesagt worden war. Der monatelange Missbrauch flog auf, als Jörg K. mit einem der Jungen in Streit geriet. „Ich habe erfahren, dass Kevin bei seinem Onkel in Gohlis Geld verdient“, erklärte Jörg K. den Anlass für den Zwist. Ob es dabei auch um sexuelle Dienste gegangen sei, fragte das Gericht nach. Der Angeklagte nickte: „Ja.“ Er habe daraufhin gedroht, Kevins Mutter per SMS darüber zu informieren. Beide lieferten sich eine körperliche Auseinandersetzung, wurden dabei verletzt. Die Polizei kam hinzu und Kevin brachte den Missbrauch zur Sprache. Anfang April dieses Jahres erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Jörg K. wegen schweren sexuellen Missbrauchs. Bis dahin war der Hartz-IV-Empfänger nach Angaben der Behörden wegen derartiger Sexualstraftaten nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Angeklagte schwieg bislang zu den Vorwürfen, sagte auch gestern zunächst nicht aus. Erst nach einem ergebnislosen Rechtsgespräch aller Verfahrensbeteiligter und der Belehrung des Vorsitzenden Richters Norbert Göbel, dass sich ein Geständnis erheblich strafmildernd auswirken würde, packte Jörg K. aus. Eine Vernehmung vor Gericht blieb den betroffenen Jungen gestern dennoch nicht erspart. Die 3. Strafkammer befragte sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Für den Prozess sind noch zwei Termine geplant, ein Urteil wird für Donnerstag nächster Woche erwartet. Bis dahin sollen allerdings noch zwei Gutachter ihre Berichte zu dem Fall vortragen.

(* Name des Kindes geändert

Quelle: Leipziger Volkszeitung, 10. Dez. 2014, S. 16